Besonderheiten bei der Bewertung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU)

Besonderheiten bei der Bewertung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU)

Gründe zur Durchführung von Unternehmensbewertungen gibt es viele: Sie reichen von der Bemessung der Erbschaftssteuer über die Festlegung der Abfindung eines ausscheidenden Personengesellschafters bis hin zur Vorbereitung einer Verhandlung zum Kauf oder Verkauf des Unternehmens. Ereignisse, die für das wirtschaftliche Wohlergehen des Unternehmens und deren Beteiligte - Eigentümer wie Arbeitnehmer - von ganz entscheidender Bedeutung sind.

,,A small business is not a little big business" – daraus resultieren auch Besonderheiten bei Unternehmensbewertungen. Während bei großen, börsennotierten Unternehmen ihre relativ transparent und öffentlich einsehbaren Aufwendungen und Erträge eine recht gute Datenbasis für eine objektivierte Unternehmensbewertung bieten, ist es bei mittelständischen Unternehmen dagegen üblich, den bilanziell ausgewiesenen Gewinn aus vielerlei Gründen eher klein zu halten. Die wahre Größe des echten betriebswirtschaftlichen Gewinns wird nur selten sichtbar, das dient unter anderem der steuerlichen Optimierung. Damit liegt meist keine vergleichbar gute Datenbasis für eine sachliche Unternehmensbewertung vor. So fehlen zum Beispiel oft mittel- und langfristige Unternehmensplanungen sowie verlässliche historische Daten.

Komplexität durch Verquickung von Betriebs- und betrieblich genutztem Privatvermögen

Die im Mittelstand oft vorhandene Verbindung von bilanziellem Betriebsvermögen und betrieblich genutztem Privatvermögen sowie steuerlich gestaltete Vermögensverteilungen auf mehrere Familienmitglieder oder weitere Firmen im Besitz der Familie gestalten eine Unternehmensbewertung oft sehr komplex und zeitaufwändig.

Eine typische Aufteilung, die bei kleinen und mittelständischen Unternehmen häufig anzutreffen ist, ist die Betriebsaufspaltung in eine Produktions-/Geschäfts-GmbH und eine Besitz-GmbH & Co. KG und gegebenenfalls noch eine Immobilien-GBR. Diese Gesellschaften sind manchmal im Falle einer Nachfolgeregelung nur als ganzheitliches Konstrukt zu verkaufen. In aller Regel bestehen aber bei KMU keine konsolidierten Bilanzen der Unternehmensgruppe, da diese erst im Verkaufsfall für den Inhaber bzw. für den Käufer eine Relevanz bekommen.

Der Unternehmer als wichtiger Erfolgsfaktor

Eine weitere Besonderheit bei der Wertermittlung von KMU stellt die Berücksichtigung von persönlichkeitsgebundenen Effekten dar. Familienunternehmer steuern und entwickeln ihre Unternehmen meist mit großem finanziellen und persönlichen Einsatz. Anders als große Konzerne haben KMU meist kein externes Management, sondern die Inhaber lenken das Unternehmen im operativen Geschäft selbst. Ihre über Jahre erworbenen Fähigkeiten machen sie häufig selbst zu einem bedeutenden Erfolgsfaktor des Betriebes. Festzuhalten bleibt in diesem Zusammenhang: Je größer die Abhängigkeit des Unternehmens von seinem Senior-Unternehmer, desto höher wird das Risiko für einen Nachfolger und desto geringer der Wert des Unternehmens ausfallen. Deshalb empfiehlt es sich für einen Inhaber, das Unternehmen rechtzeitig vor einem geplanten Verkauf von seiner Person zu emanzipieren, in dem er zum Beispiel Aufgaben an Mitarbeiter abgibt oder eine zweite Führungsebene einzieht. Ein Unternehmen, das nur „funktioniert“, wenn der Inhaber voll eingebunden ist, wird schwer zu verkaufen sein. Denn nach dessen Ausscheiden wird eine Lücke gerissen, die in der Regel durch einen neuen Inhaber, dem in den meisten Fällen das firmenspezifische Know-how fehlt, nicht in einer überschaubaren Zeit zu schließen ist.

Nicht marktübliche Geschäftsführergehälter

Auch lassen sich in der Praxis oft nicht marktkonforme Gehälter operativ tätiger Gesellschafter und deren Familienmitglieder beobachten. Zahlt sich der geschäftsführende Gesellschafter zum Beispiel ein über der sogenannten drittvergleichsfähigen Geschäftsführervergütung liegendes Gehalt, fällt sein ausgewiesenes operatives Ergebnis kleiner aus, als es bei einem marktüblichen Gehalt der Fall wäre. Im Falle einer Bewertung ist der Teil, der über der drittvergleichsfähigen Geschäftsführervergütung liegt, zu ermitteln und dem Unternehmensergebnis zuzuschreiben, was den Unternehmenswert häufig nicht unerheblich erhöht. Das gleiche gilt natürlich in umgekehrter Richtung, wenn der geschäftsführende Gesellschafter sich nur ein kleines Gehalt „gönnt“, das unter einem drittvergleichsfähigen Gehalt liegt.

Besondere Brisanz gewinnt dieses Thema bei Personengesellschaften, bei denen bilanziell kein Geschäftsführergehalt gezahlt wird, sondern der Unternehmer sich über Entnahmen eine Vergütung zukommen lässt. In diesen Unternehmen schlägt der bei einer Bewertung fiktiv anzusetzende drittvergleichsfähige Unternehmerlohn in voller Höhe betriebsergebnismindernd zu Buche.

Fazit

Bei einer objektivierten Bewertung eines kleineren mittelständischen Unternehmens gilt es, die spezifischen Eigenschaften des Unternehmens und des geschäftsführenden Inhabers ausreichend zu berücksichtigen. Ebenso müssen die steuerlichen Optimierungen, die den Unternehmenswert zunächst oft nicht im vollen Umfang zu Tage treten lassen, im Rahmen einer Wertermittlung bereinigt werden, um einen transparenten und klar nachvollziehbaren Unternehmenswert zu ermitteln.

Am Ende entscheidet jedoch immer das freie Spiel der Marktkräfte von Angebot und Nachfrage über den zu erzielenden Kaufpreis eines Unternehmens. Allerdings ist es mit einer, an objektivierten Kriterien ausgerichteten, transparenten Unternehmensbewertung meist sehr viel einfacher, dass sich Verkäufer und potenzieller Nachfolger auf einen angemessenen Kaufpreis verständigen.

Machen Sie den ersten Schritt, lassen Sie sich von einem unserer erfahrenen M+A-Partner in Ihrer Region beraten, womit Sie rechnen können.

 

Norbert Richter, con|cess M+A-Partner Stuttgart