Crisis? What Crisis?

Manfred Rinderer • con|cess • Bonn/Gerolstein

Manfred Rinderer, con|cess M+A-Partner an den Standorten Bonn / Gerolstein

Die Welt im Krisenmodus, gilt das auch für den (Ver-)Kauf von Unternehmen?

Nein, nicht notwendigerweise. Natürlich sind Unternehmen verschiedenster Branchen zum Beispiel von den Auswirkungen des Ukraine-Krieges betroffen, vor allem wegen Lieferschwierigkeiten von wichtigen Teilen. Gleichzeitig gibt es viele Unternehmen, die hervorragend laufen, auch in den vermeintlich stark betroffenen Branchen wie der Auto-Industrie. Es kommt auf die Nische an. Gestiegene Materialkosten können bei gut aufgestellten Firmen wegen der Auftragsflut fast gänzlich durch Preiserhöhungen aufgefangen werden.

 

Was bedeutet dieses differenziertere Bild für die Nachfolgesuche?

Egal ob Krise oder nicht – nach einer genauen Analyse vieler Unternehmen kann ich als Berater auch heute guten Gewissen sagen: Ja, ein Verkauf ist sinnig, für dieses Unternehmen lässt sich sicher ein guter Käufer finden. Wir müssen mit den verschiedenen Krisen leben und das Beste daraus machen. Das bedeutet: Gute Unternehmen von gut vorbereiteten und beratenen Unternehmern haben immer eine bessere Chance einen guten Preis zu erzielen.

 

Wann raten Sie nachfolgesuchenden Unternehmern zu warten?

Wenn das Unternehmen aktuell noch nicht bereit ist zum Verkauf. Das hat dann fast immer interne Gründe und ist unabhängig von aktuellen externen Krisen. Umso wichtiger ist, dass Unternehmer sich frühzeitig mit dem Thema Nachfolge beschäftigen – je früher, desto besser. Wer im Alter von Mitte 50 den Nachfolgeprozess mit der fundierten Analyse durch einen erfahrenen M+A-Berater beginnt, hat genügend Zeit, das eigene Unternehmen für den Verkauf vorzubereiten und eventuelle Verkaufshindernisse zu beheben.

 

Also business-as-usual bei Unternehmensverkäufen auch in Krisenzeiten?

Im Großen und Ganzen ja. Die Krisen zeigen sich in Details, vor allem in den Kaufpreisverhandlungen. Risiken oder vermeintliche Risiken müssen herhalten für Wünsche, den Preis zu drücken. Das verlängert den Prozess vielleicht etwas, lässt sich aber gut verhandeln. Ein weiterer Aspekt ist die aktuell gestiegene Nachfrage nach Unternehmensbewertungen. So sinnvoll sie im Einzelfall sein können, so scheinen sie mir im Moment vor allem der Angstbewältigung zu dienen. Denn das Ergebnis einer Bewertung bedeutet noch lange nicht, dass dieser Verkaufspreis zu erzielen ist. Der gesamte Nachfolgeprozess dauert meistens rund ein Jahr – ein Jahr, in dem viel passieren kann.

 

Wie wirkt sich die aktuelle Lage auf der Käuferseite aus?

Auch hier gilt: Das kommt darauf an. Bei einer Käufergruppe – den Management-Buy-in-(MBI-)Kandidaten – ist seit dem Höhepunkt der Corona-Pandemie und der aktuellen Ukraine-Krise ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Insbesondere bei denen, die direkt aus dem Angestelltenbereich einer Firma kommen, ist die Risikoscheu oft stärker ausgeprägt als bei Strategen oder Investorengruppen. Gleichzeitig treffen sie auf Banken, die in Bezug auf die Kreditvergabe heute sehr viel vorsichtiger sind. Hier kommt nur noch ins Geschäft, werden dadurch gestiegenen Eigenkapitalforderungen Rechnung tragen kann, und das sind immer weniger.

Unternehmen, die zukaufen wollen, gehören zu den klassischen Investoren und sind genauso interessiert wie immer. Zum Teil sogar noch mehr als früher, denn der grassierende Fachkräftemangel ist als Kaufmotivation dazu gekommen. Viele Käufer interessieren sich heute vor allem auch wegen der Quantität und Qualität der Belegschaft für ein zum Verkauf stehendes Unternehmen. Last but not least ist die Bedeutung des „time-to-market“-Faktors weiter gestiegen. Um etwas schnellstmöglich an den Markt zu bringen, ist es heute oft günstiger, Kapazitäten dazu zu kaufen, statt selbst zu entwickeln. Das birgt neue Chancen für verkaufswillige Unternehmer!