„Auch wenn Banken zurückhaltender geworden sind: Abwarten bringt nichts!“

Rudolf Pinter ist Firmenkundenbetreuer bei der Bürgschaftsbank NRW und Geschäftsführer der Kapitalbeteiligungsgesellschaft für die mittelständische Wirtschaft in NRW. Manfred Rinderer ist con|cess M&A-Partner Bonn / Gerolstein und Geschäftsführer der con|cess Marketing und Verwaltungs GmbH.

 Herr Pinter, welche Auswirkungen hat die gegenwärtige Zinssituation auf das M&A-Geschäft?

Rudolf Pinter: Die Zinspolitik hat Einfluss, weil sie Finanzierungen teurer macht. Aber die Zinssituation alleine ist nicht entscheidend dafür, ob ein Investment getätigt wird. Ist es sinnvoll, dann wird investiert, egal ob der Zinssatz 3 oder 4,5 Prozent beträgt.

Sind Banken in Bezug auf Finanzierung von Unternehmenskäufen wirklich zurückhaltender geworden, wie immer wieder zu lesen ist?

Rudolf Pinter: Tatsächlich zeigen Studien, dass die Kredithürden so hoch sind wie seit 2017 nicht mehr. Hier spielen aber über die Zinssituation hinaus noch weitere Faktoren eine Rolle: Inflation, Marktveränderungen, Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit, Energiepreise, die Nervosität der Märkte auch wegen kriegerischer Auseinandersetzungen zum Beispiel in der Ukraine oder in Nahost. Diese gesamte Gemengelage, der gefühlte Dauerkrisenmodus macht die Banken weniger risikofreudig, denn es ist im Moment ja wirklich keine einfache Zeit für Unternehmer.

Gibt es aktuell Branchen, in denen es besonders schwierig ist, Käufer zu finden?

Rudolf Pinter: Fast schon klassische Sorgenkinder sind die Gastronomie und der Einzelhandel, die von Corona stark gebeutelt wurden. Bei einigen fehlen aber auch Alternativangebote wie Takeaway oder Online-Shop. Hier werden wahrscheinlich nicht alle überleben und auch nicht alle verkauft werden können. Für Tankstellen außerdem fällt mit dem Ende des Verbrennungsmotors irgendwann das Geschäftsmodell weg, mit Wachstum lässt sich da auch schlecht planen. Branchen, die sehr hohe und weiter steigende Umweltstandards einhalten müssen, werden es auch nicht leicht haben. Insgesamt sind die Anforderungen für künftige Unternehmer noch höher als bisher schon, Stichworte Finanzierung, Umstellung der Produktion, neues Geschäftsmodell, Weiterentwicklung der Belegschaft etc.. Konkrete Vorstellungen und Konzepte hier helfen Unternehmenskäufern wiederum bei der Verhandlung mit den Banken zur Kreditvergabe.

Welche Finanzierungsmöglichkeiten haben Unternehmenskäufer, wenn Banken weniger risikofreudig sind?

Rudolf Pinter: Ohne Bank fällt gerade für Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) ein wichtiger Partner weg. Ein Ausweg ist das Verkäuferdarlehen: Der Käufer zahlt den Kaufpreis aus den Erträgen der Folgejahre ab, was natürlich Konfliktpotenzial birgt, denn Verkäufer und Käufer müssen dann noch viele Jahre miteinander klarkommen. Privat Equity, strategische Partnerschaften und stille Beteiligungen sind weitere Möglichkeiten, auch diese nicht ohne Konfliktpotenzial, zum Beispiel was die Mitsprache bei Entscheidungen angeht. Auch wenn es also ohne Bankbeteiligung ginge, wird eine Transaktion gerade bei KMU doch sehr schwierig. Deshalb ist der derzeit sehr große Markt von potenziellen Unternehmensverkäufern doch relativ ruhig, weil Finanzierer eben kaum Risiken eingehen. Viele Marktteilnehmer scheinen derzeit auf Besserung im kommenden Jahr zu hoffen, ob berechtigt, das ist schwer zu sagen.

Manfred Rinderer: Gespräche darüber, abzuwarten und auf Besserung zu hoffen, führen wir M&A-Berater mindestens seit 2019, seit eine Krise die andere ablöst oder sogar ergänzt: Corona, Ukraine, jetzt Nahost etc.. Aber: Gute, sauber aufgestellte Unternehmen finden auch in schwierigen Zeiten ihren Käufer. Unternehmen, die es nicht sind, sind auch in guten Zeiten schwer zu verkaufen. Abwarten kann umso schwieriger werden, je später Unternehmer sich auf einen möglichen Verkauf ihres Unternehmens vorbereiten. Viel zu selten sprechen wir mit 55- bis 60-Jährigen, die in einem Zeitraum bis zu fünf Jahren verkaufen wollen. Sehr viel häufiger sprechen wir mit Unternehmern, die den Verkaufsprozess sehr viel später angehen.

Was empfehlen Sie aktuell potenziellen Unternehmensverkäufern?

Rudolf Pinter: Aus dem bisher Gesagten lässt sich eine ganz klare Empfehlung ableiten, nämlich, sich frühzeitig mit dem Thema Unternehmensverkauf zu beschäftigen, hier gibt es eigentlich kein „zu früh“. Außerdem rate ich dringend dazu, sich schon sehr früh externe Experten dazu zu holen, die den Verkaufsprozess von der Pike auf fachlich und sachlich begleiten. Von Abwarten rate ich ab, denn den einen richtigen Zeitpunkt zum Verkaufen gibt es nicht, auch weil ich oft erlebe, dass, wer sich gedanklich mit der möglichen Übergabe beschäftigt, nicht mehr wie bisher zu 150 Prozent für das eigene Unternehmen einsteht, nicht mehr ganz so innovativ und investitionsfreudig ist wie vorher. Es gibt daher viele Zeitpunkte, an denen ein Verkauf fast schon zu spät ist und dann nicht das erhoffte Ergebnis bringt.