Earn-out Regelungen: Nicht immer eine gute Wahl
Bei Unternehmenskaufverträgen ist es mittlerweile Usus, sogenannte "Earn-out“-Regelungen festzulegen, welche den zu zahlenden Gesamtkaufpreis von der Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele - nach Übergabe des Unternehmens - abhängig macht.
Ein typischer Zeitrahmen für die gesamte Regelung liegt hier bei ein bis drei Jahren, wobei gewöhnlich nach jedem Jahr Teilzahlungen ergänzend zu einem Fixpreis „nachbezahlt“ werden. Heutzutage werden deutlich mehr als die Hälfte aller Unternehmenskaufverträge mit solchen Regelungen geschlossen, weshalb diese Thematik eine hohe Relevanz hat.
Fast immer geht der Wunsch einer Earn-out-Regelung vom Unternehmenskäufer aus, weil dieser damit das wirtschaftliche Risiko eines ggf. überhöhten Unternehmenskaufpreises reduzieren möchte. Da aber keiner die zu erwartenden Erträge genau prognostizieren kann, bzw. dafür eine Garantie übernehmen wird, wird als konsensbildende Maßnahme zwischen den Parteien regelmäßig auf eine Earn-out-Regelung zurückgegriffen.
Der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens (und daraus abgeleitet der Unternehmenswert) ist typischerweise an den Ertrag gekoppelt, weshalb man i.d.R. als Bemessungsgröße für einen Earn-out das Betriebsergebnis (EBIT) heranzieht, in selteneren Fällen aber auch das sog. EBIT-DA (Earning Before Interests, Taxes, Depreciation and Amortisation) und manchmal auch zur Vereinfachung den erwirtschafteten Umsatz bzw. die Gesamtleistung. Hier stößt man bereits auf eine wesentliche Problematik: Es gibt durchaus verschiedene Ansätze und Motive zur Ermittlung des „richtigen“ Betriebsergebnisses.
Ein Unternehmenskäufer wird naturgemäß alle Möglichkeiten ausschöpfen wollen, um in den Jahren einer Earn-out- Regelung ein möglichst geringes Betriebsergebnis „zu zeigen“, was natürlich völlig den Interessen des Verkäufers entgegenläuft. Dieses „Tauziehen“ um ausgewogene und faire Vertragsregelungen kann unnötig das ursprünglich faire und partnerschaftliche Klima zwischen Käufer und Verkäufer vergiften. Durch immer weiter artikulierten Regelungsbedarf der Vertragsparteien wird das gegenseitige Misstrauen mehr und mehr vertieft. Dies ist gerade deshalb so problematisch, weil Käufer und Verkäufer in beiderseitigem Interesse fast immer im Zuge einer Übergangsphase sehr intensiv und partnerschaftlich, teilweise mehrjährig, zusammenarbeiten wollen bzw. müssen.
Käufer sollten bedenken, dass Earn-out-Regelungen für sie auch ökonomisch nachteilig ausfallen können. Rein statistisch verbessert sich die wirtschaftliche Situation von verkauften Unternehmen im KMU-Segment nach erfolgtem Verkauf, wenn der Inhaber zum Beispiel krankheits- oder altersbedingt ausscheidet und das Unternehmen von einer neuen vitalen und „hungrigen“ Geschäftsleitung, oftmals vom Erwerber selbst, geführt wird. Nicht selten werden in diesen Fällen die zu Zeiten der Earn-out-Regelung gesetzten wirtschaftlichen Ziele überschritten. Was ein Grund zur Freude sein sollte, kann zu einem Problem werden. Der Käufer fährt materiell schlechter, als er ursprünglich dachte, weil in Summe der Fixkaufpreis und die Earn-out-Zahlungen spürbar höher ausfallen, als der zu Beginn der Verhandlungen im Raum stehende Fixkaufpreis.
Regelrecht dramatisch kann es werden, wenn der variable Kaufpreisanteil die typische Kenngröße ca. 20% variabel und 80% fix überschreitet. Fällige Earn-out-Zahlungen können dann vermutlich nicht mehr aus dem erwirtschafteten Ergebnis bezahlt werden. Wird dies nicht schon bei der Finanzierung des Kaufpreises bedacht, muss im Extremfall teuer nachfinanziert werden.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Earn-out-Regelung nicht zwangsläufig von Vorteil sind. Oftmals werden diese vom Käufer initiiert, um sich abzusichern, dass er nicht zu viel bezahlt, haben aber nicht selten zur Folge, dass der Käufer in Summe mehr als den vormals im Raum stehenden Fixkaufpreis zahlen muss. Diesen hätte seinerzeit der Verkäufer fast immer bevorzugt akzeptiert und beide hätten ihr Augenmerk damit ausschließlich auf eine reibungslose Übergabe und Weiterentwicklung des Unternehmens ohne irgendwelche Interessenkonflikte richten können.
Eine Earn-out-Regelung sollte daher bereits sehr frühzeitig überdacht werden und unter Würdigung der vorgenannten Aspekte niemals als Allheilmittel zur Glättung von Kaufpreiskonflikten zwischen Käufer und Verkäufer bei Unternehmenstransaktionen angesehen werden.
Gunter Klippel
con|cess M+A Partner – Büro Mainz
Über den Autor
Nach dem Abschluss eines technischen Studiums an der TU Darmstadt und der Universität Erlangen-Nürnberg war Gunter Klippel in verschiedenen Managementpositionen in mittelständischen Unternehmen und internationalen Konzernen sowie als GmbH-Geschäftsführer tätig. Klippel ist seit 2007 con|cess M+A Partner für das Büro Mainz und Gesellschafter der Concess Marketing und Verwaltungs GmbH und betreut das Rhein-Main Gebiet sowie große Teile von Rheinland-Pfalz. Klippel ist seit Jahren innerhalb der con|cess-Gruppe Projektleiter zur Ermittlung von Multiples (EBIT-Faktoren) im KMU-Segment, welche regelmäßig u.a. von der Deutschen Unternehmensbörse DUB, dem Wirtschaftsmagazin Impulse und dem Handwerkermagazin verwendet und veröffentlicht werden. Er ist zudem Autor zahlreicher Artikel rund um den Unternehmensverkauf und die Unternehmensbewertung und Co-Autor des Buches „Ratgeber Unternehmensverkauf“.
Kontaktdaten und weitere Informationen zu Gunter Klippel finden Sie hier: www.concess.de/gunter-klippel