„Konkrete Pläne für die Zeit nach dem Verkauf sind erfolgsentscheidend!“

Norbert Richter, con|cess M+A-Partner an den Standorten Berlin / Stuttgart

Wie gut können Unternehmer nach dem Verkauf loslassen?

Das kommt auf die Situation an. Bei zwei Gruppen von Unternehmensverkäufern stellt sich die Frage gar nicht: bei jungen Menschen der Start Up-Generation, die verkaufen, um ein neues Projekt zu realisieren und bei – meist älteren – Unternehmern, die den richtigen Zeitpunkt verpasst haben und dann alters- oder krankheitsbedingt schnellstmöglich verkaufen müssen. Die dritte Gruppe, die ihr Lebenswerk geplant verkauft und mit Anfang bis Mitte 50 in den Nachfolgeprozess einsteigt, teilt sich wieder in zwei Hälften: die eine weiß genau, was sie im Anschluss machen will, die andere hat noch keine Vorstellung.

 

Wie wichtig ist eine Idee von dem „Danach“?

So wichtig, dass ein guter Berater schon im Erstgespräch danach fragt. Verkäufer, die mit einem überzeugenden Plan antworten können, haben alles richtig gemacht. Wer von der Frage überrascht ist und keinen Plan hat, der droht, nach dem Verkauf in ein Loch zu fallen wie ein Hochleistungssportler, der über Nacht aufhört, statt Stück für Stück abzutrainieren. Hier ein Problembewusstsein zu schaffen und die Ideenfindung zu begleiten, ist eine wichtige Berateraufgabe. Denn für viele Unternehmer bricht nach dem Verkauf der Lebensinhalt weg, die Tagesstruktur, viele Kontakte, außerdem ändern sich Status und das gewohnte Umfeld. Die Relevanz der Frage zeigt übrigens auch eine Erhebung des Institutes ifm, das seit Jahrzehnten Befragungen zu Unternehmensnachfolge durchführt.  Aus der geht hervor, dass immer noch rund 40 Prozent aller Übergaben daran scheitern, dass Inhaber nicht loslassen können.

 

Da Ihr Auftrag nach dem Verkauf beendet ist, könnten Ihnen die Zukunftspläne doch egal sein…

Das sind sie aber nicht, im Gegenteil, und das gilt sicher für alle con|cess-Berater. Erstens aus persönlichen Gründen: Während des Nachfolgeprozesses entwickelt sich eine Vertrauensbasis zwischen Unternehmer und Berater. Außerdem kennen wir das zu verkaufende Unternehmen mit allem Licht und eventuellem Schatten fast genauso gut wie der Unternehmer selbst. Weder das Schicksal vom Menschen noch das vom Unternehmen könnte uns egal sein. Zweitens gibt es ja oft einen Grund, warum der Verkäufer noch keine Vorstellung von seinem Leben ohne das Unternehmen hat: Er hatte keine Zeit und keine Muse, weil er rund um die Uhr für sein Lebenswerk gearbeitet hat, oft bis ins kleinste Detail des Tagesgeschäftes. Die Frage des Beraters nach den Zukunftsplänen schon im Erstgespräch sorgt oft dafür, dass der Betroffene einen Schritt zurücktritt und das Unternehmen mal ohne sich selbst sieht, quasi vom Geschäftsführer zum Unternehmer wird. Dabei kommen ihm schnell auch strategische Ideen, die für den Verkaufserfolg wichtig sind: den Aufbau eines potenziellen internen Nachfolgers oder zumindest einer zweiten Führungsebene bzw. eine mögliche neue Rolle des Verkäufers im dann ehemals eigenen Unternehmen. So werden Pläne für die Zeit nach dem Verkauf entscheidend für den Erfolg des Nachfolgeprozesses.

 

Welche Aufgaben übernehmen Unternehmer nach dem Verkauf?

Fast nie steigen sie nach dem Verkauf sofort komplett aus. Manche verkaufen nur einen Teil des Unternehmens und bleiben weiter aktiv und in der Verantwortung. Das ist vor allem für Käufer spannend, die zwar die nötigen Geldmittel, aber wenig Know-how in der entsprechenden Branche mitbringen. Andere bleiben für meist 6 bis 12 Monate als operativer Geschäftsführer oder als bezahlter Berater an Bord, um einen geordneten Know-how-Transfer zu ermöglichen. Sehr attraktiv ist für viele Alteigentümer auch die Aufgabe als Beirat. So können sie ihr Wissen einbringen und strategisch wirken, wozu ihnen im alltäglichen Kleinklein in den Jahrzehnten vorher kaum Zeit blieb. Last but not least starten einige Unternehmensverkäufer auch nochmal ein neues Geschäftsprojekt.

 

Was raten Sie Ihren Mandanten, unabhängig von Persönlichkeit und anschließender Rolle, zur Vermeidung einer möglichen „Großen Leere“?

Golfspielen und eine Finca auf Mallorca genügen nicht, um einen schönen Lebensabend zu verbringen! Wichtig ist, die neue Situation anzunehmen und als Chance zu begreifen. Die Freiheit des so genannten „dritten Lebensalters“ bei gleichzeitiger finanzieller Sicherheit schafft viele Möglichkeiten, wenn man sie zu nutzen weiß. Dabei helfen Fragen nach (früheren) Hobbys, nach Träumen, nach Wünschen, nach dem, was Freude macht. Wichtig ist auch, neu zu lernen, wie man selbständig einen Tag strukturiert. Das fällt Menschen, die viele Jahre lang nur für ihr Unternehmen gelebt haben, oft schwer. Eine große Rolle spielt auch, seinen Lebenspartner miteinzubeziehen. Denn nicht selten wird mit dem Ruhestand aus einer Teilzeit- eine Vollzeitbeziehung mit reichlich Konfliktpotenzial. Loriot hat das in seinem „Pappa ante portas“ sehr schön überspitzt dargestellt.

 

Damit sind Sie aber thematisch weit weg von der klassischen faktenbasierten Beratung.

M+A-Beratung ist, jedenfalls bei con|cess-Partnern, nicht nur eine klassische Unternehmensberatung. Diese hätte im Mittelstand auch kaum eine Chance. Natürlich spielen Zahlen und Fakten beim Unternehmensverkauf eine sehr große, eine entscheidende Rolle. Aber fast genauso wichtig sind Empathie und Bauchgefühl. Verkäufer signalisieren oft, dass ihnen die Harmonie mit dem Nachfolger nahezu ebenso viel bedeutet wie der Kaufpreis. Meiner Erfahrung nach ist die fehlende Chemie zwischen beiden Parteien häufiger ein Hinderungsgrund für den erfolgreichen Abschluss des Unternehmensverkaufs als finanzielle Fragen. Umso wichtiger ist, dass auch wir con|cess-M+A-Berater empathisch sind und für diese so genannten weichen Themen Sensoren haben.

 

Haben Sie schon einen Zukunftsplan, wenn Sie einmal in den Ruhestand gehen?

Ja, selbstverständlich. So gerne ich M+A-Berater bin, habe ich doch noch einen unerfüllten Jugendtraum: Ich werde Archäologie studieren.