Unternehmenswertermittlung auf Basis künftiger Erträge – Ertragswert oder DCF?

Es ist unstrittig, dass der Wert eines Unternehmens durch

  • die Ertragskraft, d.h. die voraussichtlichen zukünftigen Erträge, und
  • Risikoaspekte zur Fortführung des Unternehmens

bestimmt wird. Ausgangspunkt der Betrachtungen ist daher ein gesundes Unternehmen, welches Erträge ausweist.

Erträge als bestimmende Größe für den Unternehmenswert bedeuten, dass die jeweiligen Gewinn- und Verlustrechnungen im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, allerdings nicht die vergangenheitsbezogenen, sondern die zukünftigen. Ein Käufer investiert schließlich in die Zukunft des Unternehmens, nicht in die Vergangenheit; er kann sich nur aus den künftigen Erträgen refinanzieren.

In der Praxis greift man zunächst auf die Vergangenheitszahlen als gesicherte Erkenntnis zurück, bereinigt diese von Sondereinflüssen und entwickelt daraus für die nächsten Jahre Plangewinn- und Verlustrechnungen. Erkennbare Veränderungen, wie die Zugehörigkeit zu einer Wachstumsbranche oder bereits eingeleitete, nachvollziehbare Wachstumsstrategien, sind zu berücksichtigen. Bei einer Personengesellschaft sind die Jahresergebnisse noch um einen fiktiven Unternehmerlohn zu kürzen, der einem Drittvergleich (Marktüblichkeit) standhalten muss. Die so ermittelten zukünftigen Erträge stellen die Basis für die sich anschließende Unternehmensbewertung dar.

Bei den ertragsbasierten Bewertungsverfahren dominieren die Ertragswertmethode und die Discounted-Cashflow-Methode (DCF). Während

  • die Ertragswertmethode die Ergebnisse vor Steuern (EBT) als Grundlage heranzieht,
  • stellt die DCF-Methode auf Zahlungsströme ab, ausgehend von den Erträgen vor Zinsen und Steuern (EBIT).

Dabei werden das EBIT um die fiktiven Unternehmenssteuern reduziert und um andere liquiditätsrelevante Positionen ergänzt bzw. nicht liquiditätsrelevante Positionen eliminiert. Dafür sind Unternehmensbilanzen zu planen und die daraus resultierenden Zahlungsströme herzuleiten wie zum Beispiel der Investitions- und Working Capital-Bedarf, Rückstellungen und Abschreibungen.

Beide Methoden sind im Unternehmensbewertungsstandard IDW S1 des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland geregelt und sollten bei sachgerechter Anwendung zum etwa gleichen Ergebnis kommen. Am gebräuchlichsten sind heute im kleineren Mittelstand die Ertragswert- und bei größeren Unternehmen die DCF-Methode.

Üblicherweise werden die ersten 3 bis 5 Jahre konkret mit Planzahlen hinterlegt, zur restlichen angenommenen Lebensdauer des Unternehmens (oft mit Begrenzung auf 30 Jahre) wird mit der Formel der ewigen Rente gearbeitet.

Die bereinigten Ergebnisse – das bereinigte EBT bei der Ertragswertmethode bzw. die ausschüttungsfähigen Geldzuflüsse bei der DCF-Methode - stellen in beiden Verfahren die Bezugsgröße für die Berechnung des Unternehmenswertes dar. Sie sind jeweils mit einem unternehmensspezifischen Risikozins auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren.

Der Diskontierungsfaktor / Kapitalisierungszinssatz

Der Kapitalisierungszinssatz drückt das unternehmensspezifische Risiko aus. Es ist einleuchtend, dass ein Risiko, geplante Erträge auch künftig zu erzielen, bei einem kleinen – am Markt problemlos zu ersetzenden – inhaberdominierten Lohnfertiger höher ist, als bei einem diversifizierten Großkonzern mit eigenen Produkten und Marktdominanz oder gar bei Anleihen des deutschen Staates.

Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich zusammen aus dem Zinssatz für eine vergleichsweise risikoarme, langfristige Anlage und einem unternehmensspezifischen Risikozuschlag. Dazu gehören u.a. auch z.B. ein KMU-Zuschlag (unsystematisches Risiko für Klein-Unternehmen insbesondere wegen Inhaberabhängigkeit) sowie ein Fungibilitätszuschlag (fehlende Liquidierbarkeit im Vergleich zu Aktien).

Nachstehend ein Beispiel für die Auswirkung bei Annahme eines nachhaltigen Gewinns bzw. freien Cashflows von 100.000 Euro (vereinfachend werden nur die Ergebnisse der ewigen Rente verglichen):

  • Wird ein Diskontierungsfaktor von 7,25 Prozent zugrunde gelegt, der häufig von Steuerberatern und auch vom Finanzamt im „vereinfachten Ertragswertverfahren“ verwendet wird, ergibt sich ein Unternehmenswert von knapp 1,4 Mio. Euro.
  • Wird ein durchaus marktgerechter Diskontierungsfaktor für kleinere mittelständische Unternehmen von 14,5 Prozent zugrunde gelegt, erhält man einen Unternehmenswert von 0,7 Mio. Euro.

Nun gibt es zwar den objektiv richtigen Unternehmenswert nicht, aber es ist auch klar, dass ein fairer, transaktionsorientierter Unternehmenswert sehr sorgfältig, unternehmensbezogen und plausibel hergeleitet werden muss.

Leider ist in der täglichen Praxis immer wieder festzustellen, dass auch vermeintlich prädestinierte Berufsgruppen wie Steuerberater bei geplanten Verkäufen zu solch fatalen Ansätzen neigen, in dem diese den Diskontierungsfaktor bzw. Kapitalisierungszinssatz mangels Erfahrung nicht marktgerecht und somit deutlich zu niedrig ansetzen.

Kontrollrechnung Refinanzierbarkeit

Zur Plausibilisierung des Unternehmenswertes können Sie eine operative Kontroll-Rechnung erstellen. Kein Erwerber wird ein Unternehmen mit einem üblichen Fremdkapitalanteil erwerben, wenn er – neben den für sein Leben erforderlichen Bezügen - die Schuldenlast aus Tilgung und Zinsen nicht in einem überschaubaren Zeitraum aus den laufenden Erträgen bzw. Cash Flows aufbringen kann. Eine Gewinnrücklage muss überdies additiv erwirtschaftet werden. Bei einem Unternehmen ohne besonderem Substanzwert (z.B. ohne Immobilie) geht ein Kreditinstitut davon aus, dass die Fremdfinanzierung innerhalb von 3-5, bestenfalls 7 Jahren zurückgezahlt sein sollte.

 

Klaus Kunz, con|cess M+A –Partner Essen