„Vorsicht: Der Unternehmenswert ist selten auch der Kaufpreis!“

Oliver Leibfarth • con|cess • Bodensee/Ulm

KLARTEXT von con|cess M+A-Partner Oliver Leibfarth (Stuttgart / Bodensee / Ulm)

Herr Leibfarth, Sie raten zur Vorsicht im Umgang mit der Berechnung des Unternehmenswertes, warum?

Um einen Verkaufsprozess initiieren zu können, ist eine realistische Kaufpreisvorstellung unerlässlich. Leider erleben wir als M&A-Berater immer wieder, dass verkaufswillige Unternehmer mit utopischen Zahlen zu uns kommen, die sie als vermeintlichen Unternehmenswert haben errechnen lassen. Dabei zeigt unsere Erfahrung: Der vorher berechnete Unternehmenswert ist selten auch der Kaufpreis. Zum Teil liegen 30 bis 40 Prozent Unterschied dazwischen, sowohl nach oben als auch nach unten.

Der Kaufpreis ist also nicht immer niedriger als die vorherige Wertberechnung?

Nein, die Abweichung geht in beide Richtungen. Ich habe selbst erlebt, dass ein Unternehmen mit einem für meine Begriffe schon optimistischen Unternehmenswert von 7 Millionen Euro für mehr als 10 Millionen Euro verkauft wurde. Durch zwei konkurrierende Finanzinvestoren kam eine solche Dynamik in den Prozess, dass dieser Mehrerlös möglich war. Die Stunde der Wahrheit schlägt im Verkaufsprozess, nicht in der vorherigen Bewertung.

Liegt dieser Unterschied zwischen Wert und Kaufpreis an den Bewertungsinstrumenten?

Nein, absolut nicht. Nach einer ausführlichen Analyse der Daten und Fakten eines Unternehmens und tiefgehenden Gesprächen vor Ort können wir eine Unternehmensbewertung nach allen Regeln der Kunst machen. Aber was hilft dieser Wert, wenn sich in der konkreten Situation niemand findet, der bereit ist, zu einem entsprechenden Preis zu kaufen? Ein qualifiziert ermittelter Unternehmenswert ist sowohl für Verkäufer als auch für potenzielle Käufer ein unverzichtbarer Orientierungspunkt. Wichtig für verkaufswillige Unternehmer ist dann aber, die Zahl richtig einzuordnen. Denn am Ende ist ein Wert immer subjektiv und von sehr individuellen Umständen abhängig.

Welche Rolle spielt der Faktor Zeit?  

Eine große Rolle. Ein Verkaufsprozess dauert nicht selten ein Jahr und mehr. In dieser Zeit kann viel passieren, vor allem im Moment. Gerade in den vergangenen Monaten haben sich die Konditionen der Finanzierung wesentlich verändert. Wir können nicht davon ausgehen, dass Zinsen, die ein Kunde bei seiner Bank im Oktober vorverhandelt hat, im Januar oder Februar des kommenden Jahres noch gehalten werden können. Auch das verändert übrigens den Kaufpreis. Genauso kommen im Prozess – spätestens bei der Due Diligence – gerne Themen auf, die der Unternehmer bei der vorherigen Wertberechnung nicht auf dem Schirm hatte, die sich aber auf den Kaufpreis auswirken.

Welche Vorgehensweise raten Sie verkaufswilligen Unternehmern?

Wenn sie keinerlei Vorstellung vom Wert ihres Unternehmens haben, nutzen potenzielle Verkäufer häufig einen automatisierten Wertrechner – allerdings sollten sie sich bewusst machen, dass das Ergebnis nur eine grobe Richtung vorgeben kann. Es gibt zahlreiche individuelle Aspekte, die den Wert beeinflussen können, die ein automatisierter Rechner nur sehr eingeschränkt berücksichtigen kann. Deshalb werden Unternehmer, die sich über https://www.concess.de/wie-viel-ist-mein-unternehmen-wert bei uns melden, direkt von einem con|cess M + A Partner kontaktiert, der ihnen eine erste grobe Indikation bereitstellt. Wenn Sie Ihr Unternehmen verkaufen wollen, gibt das Ihnen meist einen ersten Anhaltspunkt. Auf dieser Basis sollten sie sich überlegen, ob ein Verkauf in der Größenordnung grundsätzlich in Frage kommt und, falls ja, den Kontakt zu einem erfahrenen M&A-Berater aufnehmen. Dieser wird nach einer umfassenden Analyse des Unternehmens und der individuellen Umstände eine genauere Bewertung vornehmen und Ihnen eine Einschätzung zu einem realistischeren Wert Ihres Unternehmens geben können.

Ist der beste Kaufpreis das alleinige Verkaufsziel?

Am Anfang möchte sicherlich jeder Verkäufer den höchstmöglichen Preis für sein Unternehmen erzielen. Wir erleben aber sehr oft, dass am Ende nicht der Käufer den Zuschlag erhält, der die höchste Summe bietet, sondern der, der am Besten zu dem zu verkaufenden Unternehmen passt. Vertrauen und Sympathie zwischen Käufer und Verkäufer spielen eine wesentliche Rolle und sind meist, zumindest unterbewusst, entscheidende Faktoren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Bei vielen Unternehmensverkäufern geht es um das Lebenswerk des Unternehmers. Das will niemand verramschen, aber auch nicht für ein paar Euro mehr in eine ungewisse Zukunft entlassen.