Alterung der Unternehmer und Corona – rollt eine Welle der Unternehmensnachfolge auf uns zu? (aktualisiert!)
„Mangel an Nachfolgern bedroht Familienunternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland; 51% aller Unternehmenslenker sind bereits heute älter als 55 Jahre.“ So reißerisch titelt aktuell einer unserer Marktbegleiter in einer Pressemeldung und verweist dafür auf eine eigens durchgeführte Studie mit gut 580.000 Firmeninhabern, wobei die Datenquelle trotz Nachfrage nicht offengelegt wurde.
Eine Studie ohne Quellenangabe lässt Zweifel zurück. Und richtig: Ein Blick in Deutschlands größte Unternehmensdatenbank „Markus“ der Bureau van Dijk Electronic Publishing GmbH zeigt ein etwas anderes Bild. Die zum Beispiel auch von Creditreform genutzte Datenbank listet in der gleichen Unternehmensgröße mit Umsätzen zwischen 250.000 und 50 Millionen Euro insgesamt 1.013.196 Produktions-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen (ohne Gaststätten und Landwirtschaft) auf. Unter ihnen sind in 798.572 Unternehmen 823.170 Gesellschafter mit mindesten 50% Gesellschaftsanteil aufgeführt. Der Anteil der über 55-jährigen liegt mit 374.866 bei 45,5%.
Schmunzeln löst die oben genannte Studie bei Marktkennern mit der Aussage aus, dass „in nur fünf Jahren mehrheitlich gut 70% aller Unternehmer deutlich über 55 Jahre alt“ seien. Diese „Milchmädchenrechnung“ setzt voraus, dass in den nächsten fünf Jahren keine einzige Unternehmensnachfolge in Deutschland erfolgen würde. Das hat mit der Realität nichts zu tun und erinnert eher an Panikmache.
Prozentuale Altersverteilung der Unternehmer mit mindesten 50 Prozent Gesellschaftsanteil im deutschen Mittelstand nach „Markus“
Doch Zahlenabweichungen hin oder her: 18 Prozent der Mehrheitsgesellschafter sind im Rentenalter, 30 Prozent älter als 60 Jahre. Wenn die Nachfolge für diese Gruppe in den nächsten fünf Jahren gelöst werden soll, betrifft das im Durchschnitt pro Jahr 6 Prozent der Unternehmen. Das sind etwas doppelt so viel, wie der arithmetische Jahresdurchschnitt einer Generation von 30 bis 35 Jahren, der bei rund 3 Prozent liegt. Und fünf Jahre ist nach unseren Erfahrungen die Vorbereitungszeit, die man benötigt, um bei einem Nachfolgeprozess „die Braut zu schmücken“, Risiken abzubauen, Verkaufsattraktivität und Unternehmenswert zu steigern.
Übereinstimmend mit den Erfahrungen der Finanzkrise 2008/2009 sehen wir auch heute, dass viele Nachfolge suchende Unternehmer ihre Nachfolgebemühungen zur Zeit auf Eis legen, insbesondere, wenn sie durch einen Verkauf an Dritte gelöst werden sollen oder müssen.
Denn, die Geschäftszahlen einiger Branchen leiden unter der Corona-Pandemie, die Perspektiven sind noch nicht abzusehen. Das wirkt sich sowohl negativ auf aktuelle Wertermittlungen als auch auf das Erwerbsinteresse potentieller Käufer aus. Die verständliche Devise Vieler lautet: Aussitzen und erst mit nachhaltig steigenden Geschäftsergebnissen neu an den Nachfolgemarkt gehen. Damit ist zu erwarten, dass nach Überwinden der Corona-bedingten Krise und einer ebenso zu erwartenden Neusortierung der Marktteilnehmer eine deutliche Belebung des Nachfolgegeschehens eintreten wird.
Zugleich werden aber - und das ist die gute Nachricht für Verkäufer - voraussichtlich die Zahlen der Jungunternehmer wieder spürbar steigen, die sich mit einem Unternehmenskauf die Existenzgründung ermöglichen. Dies zeigt ein Blick in den KfW-Gründungsmonitor für die Jahre nach der Finanzkrise 2008/2009: in den Jahren 2008 bis 2010 stiegen die Existenzgründungen durch Unternehmens- und Beteiligungsübernahmen um 27 Prozent, 2011 lag das Niveau noch 21 Prozent über dem von 2008. Diese Zahlen betreffen allerdings alle Unternehmen, auch kleinere.
Die Übernahmen von Unternehmen durch Existenzgründer wuchsen von 48.000 im Jahr 2008 auf 84.000 zwei Jahre später und sogar 92.000 im Jahr 2011. Die Zahl der tätigen Beteiligungen erhöhten sich im selben Zeitraum von 167.000 auf 188.000 und kehrte 2011 mit 167.000 wieder auf das Niveau von 2008 zurück.
Daher ist vor der Nachfolgeproblematik stehenden Unternehmern zu empfehlen, die jetzige Zeit zur besseren Vorbereitung ihrer späteren Nachfolge zu nutzen. Dazu kann u.a. eine so genannte Vendor Due Diligence sinnvoll sein. Mit einer solchen internen Prüfung, Zusammenstellung und Aktualisierung aller für einen Verkauf erforderlichen Dokumente und Informationen werden Potentiale für Risikoabbau und Chancenausbau sichtbar, die zur Unternehmens- und Wertoptimierung in der nächsten Zeit genutzt werden können.
Nutzen Sie daher die jetzige Zeit zur besseren Vorbereitung einer späteren Nachfolge. Sprechen Sie uns an, wir können Ihnen – auch mit unseren Erfahrungen aus der Krise 2008/2009 – helfen und Tipps geben.
Lutz Lehmann, Geschäftsführer der con|cess Marketing und Verwaltungs GmbH
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