Existenzgründer haben teilweise andere Erwartungen, als andere Kaufinteressenten. Wie geht man damit um?

Aktuelle Studien wie der KfW Gründungsmonitor zeigen auf, dass Existenzgründer, Management Buy-Ins (MBIs) durch externe Privatpersonen genannt, einen Großteil der Kaufinteressenten für Nachfolgelösungen im Mittelstand stellen. Zu dieser Interessentengruppe gehören Jungunternehmer mit dem Wunsch nach einem eigenen Unternehmen ebenso wie gut qualifizierte und erfahrene Führungskräfte, die eine Neuausrichtung und persönliche Herausforderung suchen. Gerade die letzterer Gruppe ist überwiegend mit gutem Eigenkapital ausgestattet und aufgrund der Erfahrung und des inneren Antriebs ein attraktiver Käuferkandidat. Doch bevor man sich dieser potentiellen Käuferschicht zuwendet, sollte man ihre Besonderheiten kennen und sich darauf vorbereiten.

Am Anfang steht die Suche – wie Sie den richtigen Interessenten erkennen

Im Gegensatz zu strategischen Investoren suchen Existenzgründer üblicherweise kein bestimmtes Unternehmen, sondern eines, mit dem sie sich identifizieren und möglichst risikoarm Einkommen und Gewinn erzielen können. Hinzu kommt, dass sich viele Existenzgründer das erste Mal mit einem Kaufvorhaben beschäftigen und ihre ersten Versuche oft entsprechend ziellos wirken. Zu erkennen ist dies unter anderem auch in typischen Anzeigentexten wie: „Dipl. Kaufmann sucht Übernahme im Bereich Handel, Dienstleistung oder Produktion.“ Diese Anzeigentexte zeigen Ihnen als Verkäufer: Der potentielle Käufer steht am Anfang seiner Bemühungen. Er hat noch keine gefestigte Meinung über seine potentielle Existenzgründung und sich noch nicht ausgiebig mit allen Konsequenzen seines Vorhabens beschäftigt. Dieser Interessent ist bemüht, so viele Angebote wie möglich einzuholen, um zunächst eine Vergleichsbasis zu schaffen. Er wird selbst «unschlagbare» Angebote mangels Erfahrung in dieser Phase nur selten erkennen und noch mit vielen Unsicherheiten kämpfen

Zielorientierte, gefestigte und mit Erfahrungen versehene MBIs haben eine andere Vorgehensweise: Nach selbstkritischer Bewertung ihrer eigenen Stärken und Schwächen, Erfahrungen und auch realistischer Einschätzung der finanziellen Möglichkeiten zur Kaufpreisfinanzierung werden Übernahmekriterien mit einem klaren Suchfokus entwickelt. Entsprechend differenziert und aussagefähig sind ihre Anzeigen. Solche Interessenten sind eine geeignete Zielgruppe, wenn die Suchmerkmale mit Ihrem Angebot übereinstimmen.

Diese qualitativ besseren Anzeigen lösen zugleich eine erhöhte Nachfrage aus und führen dazu, dass der Interessent verschiedene Angebote erhalten wird. Als Verkäufer müssen Sie sich daher Ihre Wettbewerbssituation vor Augen führen. Ihr Angebot muss erstens stimmig sein und zweitens den erforderlichen Informationsgehalt liefern, ein professionelles Exposé wird erwartet. Ansonsten wird der potentielle Käufer Sie im besten Fall bitten, weitere Informationen zu liefern, oder aber Ihr Angebot direkt verwerfen und sich anderen Angeboten zuwenden. Er hat die freie Wahl.

Mögliche Verhaltensweisen von Existenzgründern im Verkaufsprozess

Zu bedenken ist, dass Existenzgründer manchmal doch nicht so mobil sind, wie zunächst kommuniziert. Jeder Verkäufer ist daher gut beraten, sich über das Umfeld des Interessenten zu informieren (Familie, Kinder in der Ausbildung usw.). Je ortsgebundener ein Käufer erscheint, je höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er – trotz anstehendem Vertragsabschluss – noch abspringt, sobald er am Heimatort fündig wird.

Vorsicht ist meist geboten, wenn ein Existenzgründer in der Hoffnung auf ein «Schnäppchen» ein Unternehmen in Schieflage erwerben will. Hier muss er ein ausgewiesener Sanierungsfachmann sein, sonst wird er in der Regel kein Kreditinstitut für den notwendigen Fremdfinanzierungsanteil finden. Gewinnprognosen für künftige Zins- und Tilgungsleistungen erscheinen den Banken in solchen Fällen meist zu riskant. Weitere Details dazu siehe Finanzierungsunterstützung beim Unternehmenskauf.

Weitere typische Verhaltensweisen von Existenzgründern sind:

  • Da ein Existenzgründer mit seiner Erwerbsfinanzierung meist sein gesamtes Kapital ins Feuer wirft, verwundert es nicht, dass er Möglichkeiten sucht, den Kaufpreis durch gewinnabhängige Kaufpreiskomponenten, so genannten earn outs, abzufedern. Ziel ist es, die fixe Kaufpreiskomponente so tief wie möglich zu halten und einen erheblichen Kaufpreisanteil vom weiteren Erfolg des Unternehmens abhängig zu machen. Dies steht diametral zu der Vorstellung eines Verkäufers; hartnäckige Verhandlungen und oftmals Kompromisslösungen sind die Folge.
  • Ein mittelständisches Unternehmen ist meist sehr abhängig vom Inhaber; Kunden-, Lieferanten- und Mitarbeiterbeziehungen sind über Jahre gewachsen, die Prozesse optimiert. Der Inhaber ist die entscheidende Schalt- und Waltzentrale und weiß über die Feinheiten Bescheid. Ein Existenzgründer kennt in der Regel die Branche aus eigenen Erfahrungen, das Zielunternehmen jedoch nur von aussen. Diese Wissenslücke stellt eine große Unsicherheit für den Käufer dar. Verstärkt wird sie, weil er als Existenzgründer – anders als Strategen oder professionelle Investoren – nicht auf ein eigenes Team zurückgreifen kann. Neben der Vollzeitposition als Geschäftsführer kommt die Belastung der Einarbeitung. MBI-Nachfolger setzten daher in der Regel eine längere Einarbeitungszeit durch den Verkäufer voraus, um die Übernahme bewältigen zu können und vom Know-how des Verkäufers möglichst lange zu profitieren.

Zusammengefasst

Ein Angebot ist nicht immer für alle Kategorien von Kaufinteressenten geeignet. Es gilt, die Besonderheiten von Existenzgründern, den MBI-Kandidaten, zu kennen und darauf vorbereitet zu sein. Es bestehen andere Finanzierungsbedingungen, unternehmerische Unsicherheiten, menschliche Kapazitäten und Erwartungen als bei anderen Kaufinteressenten. Diese gilt es zu respektieren und mit einem zielorientierten Vorgehen und offener Kommunikation entgegenzutreten. Nicht selten müssen Existenzgründer stärker betreut und durch den Verkaufsprozess geführt werden. So können Unsicherheiten abgebaut werden und für beide Seiten ein gewinnbringender Abschluss entstehen.

Sprechen Sie gern den in Ihrer Nähe befindlichen con|cess M+A-Partner an. Er hat langjährige Erfahrungen und kann Sie gern beraten.

Stefan Saner, Saner Consulting GmbH, con|cess M+A-Partner Schweiz